Poesie am Steverwall – Stele 9
Thema 2023:
„Mut – trotz alledem!“
Übersicht der
zwölf Stelen
am Steverwall
Weitere Texte
der engeren Auswahl
Eh dein Kopf
zum Totenkopf erkaltet:
Bleib erschütterbar –
doch widersteh.
Peter Rühmkorf (1929–2008)
Gedicht aus: „Haltbar bis Ende 1999“.
Der Dichter Peter Rühmkorf wurde am 25. Oktober 1929 außerehelich in Dortmund geboren. Er wuchs im norddeutschen Warstede/heute Stadt Hemmoor an der unteren Weser auf. Von der Mutter, der Dorfschullehrerin Elisabeth Rühmkorf allein aufgezogen, hatte es die Familie in den 30er Jahren der NS-Zeit nicht leicht. Gestützt vom Großvater, einem Superintendenten aus dem nahen Otterndorf, entwickelte sich Peter jedoch bald zu einem selbstbewussten und starken Charakter. Seine Widerstandskraft und sein Mut zeigten sich schon in seiner Gymnasialzeit in Stade. Dort formierte sich noch im Kriege eine oppositionelle Schülergruppe, die sich anonym gegen das Regime der Nazis wandte, Flugblätter der Alliierten sammelte, BBC hörte und den regimetreuen Schuldirektor verspottete.
Nach dem Kriege begann er noch als Schüler Gedichte mit aufklärerischem Ansatz zu schreiben, in denen er sich mit den Folgen der NS-Zeit auseinander setzte. Nach dem Abitur 1951 zog er nach Hamburg, wo er bis einige Jahre vor seinem Tode 2008 lebte. In Hamburg studierte er zunächst Pädagogik um Lehrer zu werden, gab dies aber auf und studierte danach Kunstgeschichte, Germanistik und Psychologie.
Schon ab 1951 publizierte er neben seiner dichterischen Arbeit mehrere Zeitschriften, u. a. die Zeitschrift Konkret. Später arbeitete er als Verlagslektor beim Rohwohlt-Verlag. Als erfolgreicher und vielfach ausgezeichneter Dichter und freier Schriftsteller gehörte er der Gruppe 47 und dem P.E.N. an.
Er zählte zu den markantesten und profiliertesten Lyrikern Deutschlands, trug seine Gedichte häufig selber vor und kombinierte seine Texte häufig mit Jazz durch Michael Naura und Wolfgang Schlüter. Er war verheiratet mit der Psychologin Eva Tietze, die auch als Ministerin in Schleswig-Holstein arbeitete.
Sein Gedicht „Bleib erschütterbar und widersteh“ packt den Leser an und fordert zur Positionierung auf. Er fordert Widerstand – wogegen? Die Dämonen und Schlächter des Nazi-Regimes sind überstanden. Heute leben wir in einer freien, demokratischen Gesellschaft mit einer liberalen Rechtsordnung. Man darf im Unterschied zu früheren Zeiten – ohne Gefahr für Leib und Leben – zum Widerstand aufrufen. Dennoch ist dieser schrille Aufruf auch dieser Form angemessen und notwendig. Existenz und Freiheit unserer Gesellschaft sind auch heute bedroht, wenn auch in anderer Weise als in der Vergangenheit.
Wir – „die im Siegen Ungeübten“ benötigen mehr Widerstandskraft und Mut, um in der verhängnisvollen Zwickmühle „zwischen Scylla und Charybde“ einen gangbaren Ausweg zu finden.
Die Fragen an uns lauten: Welche Veränderungen sind wir bereit hinzunehmen, um Natur und Umwelt lebenswert zu erhalten? Welche harten Anstrengungen wollen wir auf uns nehmen, um unserem Land und unseren Nachbarn Frieden und Freiheit zu sichern? Wollen wir eine sozial gerechtere Gesellschaft schaffen, auch wenn wir uns dazu selbst einschränken und unsere satte Zufriedenheit aufgeben müssen? Entscheidend wird sein, „erschütterbar“, wach und furchtlos zu bleiben.
Das meisterliche, aufrüttelnde Gedicht Rühmkorfs kann uns helfen, diese Herausforderungen mutig anzunehmen und Helfer/ „Genossen“ und Gleichgesinnte zu finden.
Der Dichter Peter Rühmkorf wurde am 25. Oktober 1929 außerehelich in Dortmund geboren. Er wuchs im norddeutschen Warstede/heute Stadt Hemmoor an der unteren Weser auf. Von der Mutter, der Dorfschullehrerin Elisabeth Rühmkorf allein aufgezogen, hatte es die Familie in den 30er Jahren der NS-Zeit nicht leicht. Gestützt vom Großvater, einem Superintendenten aus dem nahen Otterndorf, entwickelte sich Peter jedoch bald zu einem selbstbewussten und starken Charakter. Seine Widerstandskraft und sein Mut zeigten sich schon in seiner Gymnasialzeit in Stade. Dort formierte sich noch im Kriege eine oppositionelle Schülergruppe, die sich anonym gegen das Regime der Nazis wandte, Flugblätter der Alliierten sammelte, BBC hörte und den regimetreuen Schuldirektor verspottete.
Nach dem Kriege begann er noch als Schüler Gedichte mit aufklärerischem Ansatz zu schreiben, in denen er sich mit den Folgen der NS-Zeit auseinander setzte. Nach dem Abitur 1951 zog er nach Hamburg, wo er bis einige Jahre vor seinem Tode 2008 lebte. In Hamburg studierte er zunächst Pädagogik um Lehrer zu werden, gab dies aber auf und studierte danach Kunstgeschichte, Germanistik und Psychologie.
Schon ab 1951 publizierte er neben seiner dichterischen Arbeit mehrere Zeitschriften, u. a. die Zeitschrift Konkret. Später arbeitete er als Verlagslektor beim Rohwohlt-Verlag. Als erfolgreicher und vielfach ausgezeichneter Dichter und freier Schriftsteller gehörte er der Gruppe 47 und dem P.E.N. an.
Er zählte zu den markantesten und profiliertesten Lyrikern Deutschlands, trug seine Gedichte häufig selber vor und kombinierte seine Texte häufig mit Jazz durch Michael Naura und Wolfgang Schlüter. Er war verheiratet mit der Psychologin Eva Tietze, die auch als Ministerin in Schleswig-Holstein arbeitete.
Sein Gedicht „Bleib erschütterbar und widersteh“ packt den Leser an und fordert zur Positionierung auf. Er fordert Widerstand – wogegen? Die Dämonen und Schlächter des Nazi-Regimes sind überstanden. Heute leben wir in einer freien, demokratischen Gesellschaft mit einer liberalen Rechtsordnung. Man darf im Unterschied zu früheren Zeiten – ohne Gefahr für Leib und Leben – zum Widerstand aufrufen. Dennoch ist dieser schrille Aufruf auch dieser Form angemessen und notwendig. Existenz und Freiheit unserer Gesellschaft sind auch heute bedroht, wenn auch in anderer Weise als in der Vergangenheit.
Wir – „die im Siegen Ungeübten“ benötigen mehr Widerstandskraft und Mut, um in der verhängnisvollen Zwickmühle „zwischen Scylla und Charybde“ einen gangbaren Ausweg zu finden.
Die Fragen an uns lauten: Welche Veränderungen sind wir bereit hinzunehmen, um Natur und Umwelt lebenswert zu erhalten? Welche harten Anstrengungen wollen wir auf uns nehmen, um unserem Land und unseren Nachbarn Frieden und Freiheit zu sichern? Wollen wir eine sozial gerechtere Gesellschaft schaffen, auch wenn wir uns dazu selbst einschränken und unsere satte Zufriedenheit aufgeben müssen? Entscheidend wird sein, „erschütterbar“, wach und furchtlos zu bleiben.
Das meisterliche, aufrüttelnde Gedicht Rühmkorfs kann uns helfen, diese Herausforderungen mutig anzunehmen und Helfer/ „Genossen“ und Gleichgesinnte zu finden.
Peter Rühmkorf
Bleib erschütterbar und Widersteh
Also heut: zum Ersten, Zweiten Letzten:
Allen Durchgedrehten, Umgehetzten,
was ich, kaum erhoben, wanken sah,
gestern an- und morgen abgeschaltet:
Eh dein Kopf zum Totenkopf erkaltet:
Bleib erschütterbar – doch widersteh.
Die uns Erde, Wasser, Luft versauen
(Fortschritt marsch! Mit Gas und Gottvertrauen)
Ehe sie dich einvernehmen, eh
Du im Strudel bist und schon im Solde,
wartend, daß die Kotze sich vergolde:
Bleib erschütterbar – und widersteh.
Schön, wie sich die Sterblichen berühren –
Knüppel zielen schon auf Herz und Nieren,
daß der Liebe gleich der Mut vergeh …
Wer geduckt steht, will auch andre biegen
(Sorgen brauchst du dir nicht selber zuzufügen;
Alles was gefürchtet wird, wird wahr–)
Bleib erschütterbar
Bleib erschütterbar – und widersteh.
Widersteht! Im Siegen Ungeübte;
Zwischen Scylla und dort Charybde
Schwankt der Wechselkurs der Odysee …
Finsternis kommt reichlich nachgeflossen;
Aber du mit – such sie dir! – Genossen!
Teilst das Dunkel, und es teilt sich die Gefahr
Leicht und jäh –
Bleib erschütterbar –
Bleib erschütterbar – doch widersteh.