Poesie am Steverwall – Stele 8
Thema 2025:
„Freiheit – die ich meine“
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Freiheit
Wort
Das ich aufrauen will.
Ich will dich
mit Glassplittern spicken.
Hilde Domin (1909–2006) Ich will Dich. 1970
„Ich will dich“, so heißt der 1970 erschienene Gedichtband von Hilde Domin und so lautet auch der Titel ihres „ungereimten“ Gedichtes, aus dem hier zitiert wird. Es sind die drei Anfangszeilen der fünfzeiligen 5. Strophe:
Freiheit Wort
das ich aufrauen will
ich will dich mit Glassplittern spicken
und weiter heißt es
dass man dich schwer auf die Zunge nimmt
und du niemandes Ball bist
Es wird schon klar: Für Hilde Domin ist das Wort „Freiheit“ zu glatt, zu geleckt, zu modisch, zu rund, – eben zu „leicht-sinnig“!
Durch eine unbedachte Versprachlichung wird die plurivalente Innerlichkeit des Begriffes „Freiheit“ vertuscht, wird ihr nicht gerecht. Man sagt oft „Freiheit“ wo sie nicht zugegen ist, wo sie als Alibi fungiert, realiter aber Zwanghaftes verdeckt. Im Sinne Hilde Domins darf „Freiheit“ niemandes beliebiger Spielball sein.
Das Unbequeme, das Eckige, das Widerspenstige, das Schwierige, alles was auch in „Freiheit“ steckt, das muss bewusst werden und deutlich sein. Damit das geschieht will Domins lyrisches Ich den Freiheitsbegriff „aufrauen“, ihn mit „Glassplittern spicken“, damit er nicht zum hohlen Schlagwort, zur Worthülse wird.
Hilde Domin geht es aber nicht nur um diesen einen Begriff. Es geht generell um verfälschte Wortinhalte, um unbedachte Verwendung und Missbrauch von Sprache, um Unwahrheiten, verschleiert durch Ismen und Indoktrinationen.
Die Dichterin sieht, wie in unserer Gegenwart der Freiheits-Begriff der Willkür ausgesetzt ist, und so schließt sie sich einer warnenden Stimme aus der Vergangenheit an, nämlich auf keine geringere Stimme als die des weisen Chinesen Konfuzius, der Wahrhaftigkeit mit Freiheit verbindet:
„Nennt das Runde rund – und das Eckige eckig!“ sagen sinngemäß beide … wenn das nämlich nicht passiert, geht der Staat zugrunde.
Hilde Domin, verheiratete Hilde Palm, gilt als bedeutende Vertreterin „ungereimter“ Gedichte. Sie wurde 1909 als Tochter jüdischer Eltern in Köln geboren unter den Namen Hildegard Dina Löwenstein. Sie starb 2006 in Heidelberg. Ihren Künstlernamen Hilde Domin entlehnte sie ihrem längeren Exilaufenthalt in der Dominikanischen Republik.
Hilde Domin hörte zeitig Hitlers Reden, las sein Buch „Mein Kampf“ Anfang der 30er Jahre und, obgleich der jüdische Glaube für sie persönlich keine große Relevanz hatte und nur eine Religion unter vielen war, blieb sie für die Naziideologie Jüdin, die verfolgt und ausgerottet werden müsse. Schon früh misstraute Hilde Domin deshalb der nationalsozialistischen Bewegung, absolvierte deshalb schon ab 1932 ein Auslandstudium in Rom, wurde aber auch dort später in Mussolinis Italien aufgrund ihrer jüdischen Herkunft verfolgt und floh mit ihrem Mann Erwin Walter Palm in letzter Minute über Stationen in Frankreich, Großbritannien, Kanada schließlich in die Dominikanische Republik, wo sie bis 1952 Deutsch an der Universität Santo Domingo unterrichtete und 1954 nach 22 Jahren Exil wieder in Deutschland und anfänglich zugleich in Spanien ansässig wurde.
Hilde Domin hinterließ ein reiches dichterisches Oeuvre, war bis an ihr Lebensende schriftstellerisch, sprachwissenschaftlich tätig, sie sah sich als spanische Autorin deutscher Sprache, auch von arabischer und japanischer Kunst inspiriert. Zahllose hohe Ehrungen und Orden wurden ihr zuteil. E.K.
„Ich will dich“, so heißt der 1970 erschienene Gedichtband von Hilde Domin und so lautet auch der Titel ihres „ungereimten“ Gedichtes, aus dem hier zitiert wird. Es sind die drei Anfangszeilen der fünfzeiligen 5. Strophe:
Freiheit Wort
das ich aufrauen will
ich will dich mit Glassplittern spicken
und weiter heißt es
dass man dich schwer auf die Zunge nimmt
und du niemandes Ball bist
Es wird schon klar: Für Hilde Domin ist das Wort „Freiheit“ zu glatt, zu geleckt, zu modisch, zu rund, – eben zu „leicht-sinnig“!
Durch eine unbedachte Versprachlichung wird die plurivalente Innerlichkeit des Begriffes „Freiheit“ vertuscht, wird ihr nicht gerecht. Man sagt oft „Freiheit“ wo sie nicht zugegen ist, wo sie als Alibi fungiert, realiter aber Zwanghaftes verdeckt. Im Sinne Hilde Domins darf „Freiheit“ niemandes beliebiger Spielball sein.
Das Unbequeme, das Eckige, das Widerspenstige, das Schwierige, alles was auch in „Freiheit“ steckt, das muss bewusst werden und deutlich sein. Damit das geschieht will Domins lyrisches Ich den Freiheitsbegriff „aufrauen“, ihn mit „Glassplittern spicken“, damit er nicht zum hohlen Schlagwort, zur Worthülse wird.
Hilde Domin geht es aber nicht nur um diesen einen Begriff. Es geht generell um verfälschte Wortinhalte, um unbedachte Verwendung und Missbrauch von Sprache, um Unwahrheiten, verschleiert durch Ismen und Indoktrinationen.
Die Dichterin sieht, wie in unserer Gegenwart der Freiheits-Begriff der Willkür ausgesetzt ist, und so schließt sie sich einer warnenden Stimme aus der Vergangenheit an, nämlich auf keine geringere Stimme als die des weisen Chinesen Konfuzius, der Wahrhaftigkeit mit Freiheit verbindet:
„Nennt das Runde rund – und das Eckige eckig!“ sagen sinngemäß beide … wenn das nämlich nicht passiert, geht der Staat zugrunde.
Hilde Domin, verheiratete Hilde Palm, gilt als bedeutende Vertreterin „ungereimter“ Gedichte. Sie wurde 1909 als Tochter jüdischer Eltern in Köln geboren unter den Namen Hildegard Dina Löwenstein. Sie starb 2006 in Heidelberg. Ihren Künstlernamen Hilde Domin entlehnte sie ihrem längeren Exilaufenthalt in der Dominikanischen Republik.
Hilde Domin hörte zeitig Hitlers Reden, las sein Buch „Mein Kampf“ Anfang der 30er Jahre und, obgleich der jüdische Glaube für sie persönlich keine große Relevanz hatte und nur eine Religion unter vielen war, blieb sie für die Naziideologie Jüdin, die verfolgt und ausgerottet werden müsse. Schon früh misstraute Hilde Domin deshalb der nationalsozialistischen Bewegung, absolvierte deshalb schon ab 1932 ein Auslandstudium in Rom, wurde aber auch dort später in Mussolinis Italien aufgrund ihrer jüdischen Herkunft verfolgt und floh mit ihrem Mann Erwin Walter Palm in letzter Minute über Stationen in Frankreich, Großbritannien, Kanada schließlich in die Dominikanische Republik, wo sie bis 1952 Deutsch an der Universität Santo Domingo unterrichtete und 1954 nach 22 Jahren Exil wieder in Deutschland und anfänglich zugleich in Spanien ansässig wurde.
Hilde Domin hinterließ ein reiches dichterisches Oeuvre, war bis an ihr Lebensende schriftstellerisch, sprachwissenschaftlich tätig, sie sah sich als spanische Autorin deutscher Sprache, auch von arabischer und japanischer Kunst inspiriert. Zahllose hohe Ehrungen und Orden wurden ihr zuteil. E.K.